Traumhafte Nahrungsressourcen Ich hatte einen Traum, am Wochenende, und der erheiterte mich dermaßen, daß ich laut lachend erwachte und ihn sogleich meiner weniger begeisterten Nebenbeischläferin erzählen konnte, so daß er nicht in nächtlichträumerische Vergessenheit geraten konnte. Außerdem hatte er mit seltsamen Tieren zu tun. Also, der Traum: Meine Weltbeste und ich wohnen augenscheinlich am Meer, und zwar dergestalt, daß man von der Terrasse direkt ins Phtalogrün springen kann (ein Meer anderer Farbe kommt nicht mehr infrage, nichtmal im Traum, sozusagen) und zwischen uns wuselt ein einjähriges Kind umher, das sich mit der Zeit als unseres, also auch meines, herausstellt. Mich wundert im Traum weniger, daß da noch ein Kind ist, von dessen Geburt ich offensichtlich nichts bemerkt hatte, als daß es einen schwarzen Anzug trägt, dazu edle Schuhe, budapester aus weichem Leder, die dichten Haare mit Brillantine nach hinten geklebt, eine elegante Krawatte um den Hals. Meine Frage, warum der Kleine einen schwarzen Anzug trägt, beantwortet meine Frau, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, daß unser Jüngster eben keine Babykleidung tragen möchte, er fühle sich im schwarzen Anzug am wohlsten, daher hätte er auch einen Kasten* voll davon, was notwendig wäre, weil die Kleinen sich ja ständig schmutzig machten. Während wir also auf der Terrasse vor dem Meer sitzen, ich in Badehose und oben ohne, Sohnemann im schwarzen Edelknitter, bemerke ich, daß vor einer Mauerritze ständig Bewegung ist, als würde dort Ungeziefer aus- und einkrabbeln. Bei näherem Hinschauen sehe ich, daß es sich nicht, wie zuerst angenommen, um Kakerlaken oder dergleichen handelt, sondern um Zebras, Giraffen, Krokodile und anderes, vorwiegend afrikanisches Getier im Miniformat, also circa zwei Zentimeter groß, das immer wieder aus der Mauerritze heraus und wieder in sie hineinströmt, wenn man sich ihm nähert. Anscheinend haben die kleinen Wildtiere aber mehr Vertrauen zu einem Anzug- als zu einem Badehosenträger, und so gelingt es unserem Sohn immer wieder mal, ein Tierchen zu fangen und in eine Schachtel zu geben. Als er seiner Meinung nach genug gesammelt hat, kommt er zu mir und zeigt stolz seinen Fang. Ich weiß nicht genau, ob ich mich über meinen anzugtragenden Kleinwildjäger freuen soll, da schnappt er ein Zebra, steckt es in den Mund, zerkaut es genüßlich und hält mir ebenfalls eines vor den Mund. Da mir seine zarte Kinderseele wichtiger ist als das Artenschutzabkommen, das diese Tiere eigentlich schützt, von dem ich im Traum aber ohnehin nicht sicher bin, ob es auf die Miniaturausgaben dieser Tiere anzuwenden ist, beiße ich ebenfalls in das Zebra: Interessanterweise schmeckt es nach Himbeere. die anderen Tiere haben ebenfalls Fruchtgeschmack, Ananas, Erdbeere, Banane und so weiter. Als ich nach einem mit Ingwergeschmack frage, hält mir der Sohn ein Krokodil hin, und es schmeckt tatsächlich danach. Durch den Fruchtgeschmack stellt sich die Frage nicht, ob die Tiere eigentlich leiden, wenn man in sie lebendigen Leibes hineinbeißt, schließlich bewegen sie sich fröhlich hin und her, während man sie in den Mund schiebt. Als die Schachtel leer ist, fragt Sohnemann mit den Augen, er kann anscheinend noch nicht sprechen, ob er noch Tiere holen soll, was ich verneine. Da fängt er zu weinen an, kramt in seinen Hosentaschen, zieht einen Autoschlüssel hervor, den ich nicht kenne, und wirft ihn im weiten Bogen ins Meer. An dieser Stelle bin ich dann laut lachend aufgewacht. * Kasten: aus dem Österreichischen = gleich Schrank.
Fürs Gehör Werte Freunde, Bekannte, Kollegen, Hörer, Leser, seit Jahren fügt es der Zufall, dass meine Features kurz hintereinander ausgestrahlt werden. Diesmal sind sogar drei Sendungen für die nächsten Wochen anzukündigen. Zudem möchte ich allen Eltern und allen Liebhabern klassischer Musik die neue Ridili-App Villa Cäcilia ans Herz legen. Am Sonntag, den 7. Oktober 2012, bringt der Deutschlandfunk in der Reihe Freistil von 20.05 bis 21.00 Uhr: Filter-Welten Vom Sieben der Wirklichkeit Feature von Florian Felix Weyh Regie: Katrin Moll In Nordeuropa trinkt man Kaffee als klares Getränk, weil Melitta Bentz 1908 den Kaffeefilter erfand. Ein Stück Löschpapier trennt Schwebstoffe von der Flüssigkeit und macht sie genussvoller. Filter und Siebe stecken überall: kleine Helfer, die Schmutziges sauber und Durchmischtes rein machen. So sollen bei Zigaretten Filter Schadstoffe fernhalten und einen ungefährlichen Konsum ermöglichen. Viele Raucher glauben das bis heute, ein Beweis des guten Leumunds, den der Filter hat. Gerade die digitale Entwicklung verlangt zunehmend nach Sperren, die uns vor der Informationsflut schützen. E-Mail-Konten ohne Spamfilter sind ein Albtraum! Surfen ohne vorstrukturierende Suchmaschinen-Algorithmen? Undenkbar. So ist es höchste Zeit, den vielfältigen Filtern ringsum Aufmerksamkeit zu schenken und zu fragen, was wir mit ihnen und sie mit uns machen. Entreichern oder veredeln Filter unser Leben? Falls paradoxerweise beides zugleich zutrifft: Wie sollen wir mit ihrem janusköpfigen Wesen umgehen? Diese Sendung wird leider im Internet nur als Textfile, nicht als Audiofile abzurufen sein. (http://www.dradio.de/dlf/sendungen/freistil/1840348/) Am darauffolgenden Dienstag, den 9. Oktober 2012, sendet der SWR auf SWR2 von 22.03 bis 23.00 Uhr: Gelehrter als der Kaufmann, kaufmännischer als der Gelehrte Ein Requiem auf das Antiquariat Feature von Florian Felix Weyh Sie haben nichts Neues zu verkaufen, die Antiquare. Muffig klingt das Wort, muffig riecht manchmal die Ware. Und wenn es sich nicht um wirklich wertvolle Werke handelt, muss man wohl schnöde von Altpapier sprechen. Die Masse der Gebrauchtbücher wird immer größer, der Preiskampf im Internet ist ruinös, Lagerkosten und Ladenmieten steigen. Und wer außer ein paar Liebhabern braucht alte Bücher, wenn deren Inhalte digital vorliegen? Ist der Antiquariatsbuchhandel ein aussterbendes Geschäft einer aussterbenden Spezies? Wird es den notorisch eigentümlich schrägen Altbuchhändler bald nur noch als literarische Figur geben – in Büchern, die auch nur noch antiquarisch zu haben sind? Aber wäre das eigentlich so schlimm? Wer außerhalb des SWR-Sendebereichs lebt, kann die Sendung am Tag der Ausstrahlung bereits ab 13 Uhr im Internet hören oder sie mitschneiden; das Manuskript ist ebenfalls erhältlich. (http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/literatur/-/id=659892/nid=659892/did=10264828/b3wc24/index.html l) Am Sonntag, den 2. Dezember 2012 strahlt Deutschlandradio Kultur von 0.05 bis 1.00 Uhr aus: Im Stream Bringt das Netz neue Spielarten literarischer Intellektualität hervor? Feature von Florian Felix Weyh Anfang des Jahrtausends galt Hypertextliteratur als letzter Schrei. Dann verschwand sie sang- und klanglos von der Bildfläche, und trotz des Siegeszugs von Internet und Smartphones scheinen sich seither literarische Ausdrucksformen wieder dem vertrauten Papier zugewandt zu haben. Doch täuscht das nicht? Haben sich nicht ganze Gattungen elektronisch emanzipiert? Die spitzzüngigsten Aphorismen finden sich mittlerweile auf Twitter, und die Form des bebilderten Essays à la Alexander Kluge hat in den sozialen Netzwerken eine ungeahnte Weiterentwicklung genommen. Freilich benutzt nicht mehr nur ein singulärer Autor diese Technik, viele Schreiber erzeugen gemeinsam den Stream. Dabei erfolgen Äußerungen nicht mehr ex cathedra von oben nach unten, sondern mit Rückkanal. Allerdings bleibt die Zeitsouveränität des Lesers auf der Strecke: Der Stream will dauernd beobachtet und überwacht sein, was ihn so faszinierend wie beängstigend macht. Bildet sich hier wieder nur eine Avantgarde-Blase wie bei der Hypertextliteratur vor einem Jahrzehnt? Oder werden tatsächlich Strukturen für eine E-Literatur der Zukunft gebahnt, für eine literarisch-politische Intellektualität, die irgendwann den papierenen Diskursen den Rang ablaufen wird? Angesichts der unkomfortablen Uhrzeit empfiehlt es sich, auf den programmierbaren DRadio-Rekorder zurückzurgreifen (http://player.phonostar.de/partner/dradio-recorder) oder das Feature nach der Ausstrahlung als MP3 downzuloaden (http://www.dradio.de/aod/html/). Zum Abschluss die spezielle Empfehlung der App Villa Cäcilia, die durch einmalige Kooperation von Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (RSB), Staats- und Domchor Berlin, Deutschlandradio Kultur, Medienboard Berlin-Brandenburg und der Ridili GmbH zustande kam. umfangreiche Informationen über Streich-, Blas- und Tasteninstrumente, Schlagzeug, Chöre fast 90 Minuten Musik in Rundfunk-Qualität 15 multimediale Szenen (Illustrationen, Sounds, Fotografien, Filmsequenzen, Spiele) etwa 115 Interaktionsmöglichkeiten 9 Spielelemente zu Rhythmus, Tonhöhen, Stimmlagen, Tempo, Notenschrift u.a. 12 für die App realisierten HD-Filmsequenzen (Kamera: Marcus Winterbauer u.a. „Rhythm is it“) 3 Sprachen (Deutsch, Englisch, Russisch); Musikerziehung + Fremdsprachenerwerb preisgekrönte Hörbuchsprecher (Markus Hoffmann, Frank Arnold u.a.) entstanden unter Mitwirkung von über 250 Musikern und Künstlern. In diesem Sinne sollte es dem Herbst an Hörenswertem nicht mangeln. Mit den allerbesten Grüßen! Florian Felix Weyh Weyh war als Autor sowohl für das Laubacher Feuilleton als auch für Kurzschrift tätig. Von ihm verfaßt ist unter anderem das Lesestück Gutenberg.
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