Einheits(sprach)brei

Warum die Österreicher nicht in die EG wollen

Wie gemeinhin bekannt ist, hat das, was oftmals fälschlich «leibliches Wohl» (siehe auch Laubacher Feuilleton Nr. 5, Seite 16) genannt wird, innerhalb Europas und lange bevor man innerhalb Europas an Europa dachte, ein Europa gebildet, das in jeder Hinsicht seinesgleichen sucht. Kein türkischer, französischer, italienischer, spanischer, griechischer, portugiesischer, dänischer Nebenerwerbsgastronom, der es nicht geschafft hätte, im mitteleuropäischen Land der unbegrenzten Möglichkeiten die aus der Heimat mitgebrachten Rezepte so zu nivellieren, daß die Deutschen nicht auch hier ihren (immer friedlichen!) Okkupationsgelüsten hätten Geltung verschaffen können. Das beste Beispiel dafür ist die allseits so geliebte Küche chinesisch-thailändisch-vietnamesisch-koreanisch-taiwanesischer-et-cetera Provenienz. Sogar der japanische Meister des flinken Messers hat begriffen, daß er dem deutschen Gourmet innerhalb seines geliebten Sushi das Walfleisch als Clupea pallasii offerieren muß, um nicht Gefahr zu laufen, nach Hause ins Asyl geschickt zu werden (aber da er dort gerade ausgewiesen worden ist, weil er mehrere Kugelfische falsch tranchiert hat, will er dorthin sobald nicht wieder zurück, weshalb auch er tunlichst die deutsch-europäische Variante der gastronomischen Einheit pflegt).

Kurzum, die vereinte international-industrielle Großküchenallianz hat sich darauf spezialisiert, mittel-europäisch zu werden, das zu entsenden und zusammenzukochen, was den deutschen Gaumen kitzelt — die meisten Ingredienzien würde der Absender vermutlich nicht mal seinem Hund zum Fraß vorwerfen, weil der nämlich dann nicht mehr schmecken würde.

Selbstverständlich machen das die Österreicher genauso. Auch sie möchten ja, wie laut und vernehmlich zu vernehmen war, sich hineinsetzen in die vermeintliche riesengroße Buttercremetorte EG — hergestellt aus Zutaten, die, wie uns vor einigen Monaten via Zeitmagazin vermittelt wurde, Wege gehen, gegen die sich die von Christoph Columbus und Vasco da Gama wie Wochenendausflüge ausnehmen. — Aber nun, ach! Da stellen doch diese Brüsseler Spitzen-Bürokraten eine Bedingung — die nämlich, daß die Namen und Begriffe der Produkte, die in den EG-Handel gelangen sollen, zu vereinheitlichen sind.

Ratlosigkeit, Empörung, ja Wut sind zu vernehmen aus Judenburg, Deutschlandsberg, Saalbach-Hinterglemm, Wörgl oder Vöcklabruck. Sie wollen auch in Zukunft, so versichert der oberösterreichische Gastronom mit oberbayerischer (sic!) Depandance, Arthur Tuschak, auch weiterhin ihre pfleglichst, durchaus auch mit internationalen Chemikalien behandelten und verarbeiteten Produkte mit einheimischen Bezeichnungen deklarieren.

Wir haben größtes Verständnis dafür, weshalb wir im folgenden auflisten, was den EG-Europäern, aber auch den am Rande dahinsiechenden entgeht, wenn man den Österreichern nicht das zugesteht, was z. B. Dänen oder Engländern längst zugestanden wurde — zumindest die eigene Sprache.

dbm
Beisl = Gasthaus — Buchteln = Dampfnudeln — Erdäpfeln = Kartoffeln — Faschierts = Hackfleisch — Fleckerln = Nudeln — Galatsche = Hefestückchen — Germ (siehe auch Germslang) = Hefe — Gspritzter = Weinschorle — Guglhupf = Napfkuchen — Karfiol = Blumenkohl — Klacheln = Schweinehaxe — Kranawittbeern = Wacholderbeeren — Kukuruz = Mais — Marillen = Aprikosen — Maronen = Eßkastanien — Obers = Sahne — Palatschinken = Pfannkuchen — Paradeiser = Tomaten — Powidl = Pflaumenmus — Reindling = Pfanne — Ribisl = Johannisbeere — Salonbeuschel = Lungenhaschée — Schanegarten = Biergarten — Scheiterhaufen = Auflauf — Schwedenbombe = Mohrenkopf — Sterz = Gries — Tirteln = Tasche(n) — Topfen = Quark — Vogerlsalat = Feldsalat
Und so weiter.


Laubacher Feuilleton Nr. 6, 1993, S. 16

 
Mi, 29.09.2010 |  link | (2242) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Schrift und Sprache






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