Die Yeziden

Von Arbil bis an den Zab sieht man kein einziges Dorf. Auf der anderen Seite des Flusses liegt aber ein Dorf namens Abd el asis, das zur Gänze von Leuten bewohnt wird, die man Jesidier nennt. Weil die Türken in ihren Ländern nur jenen freie Religionsausübung gestattet, die göttliche Bücher haben, also den Mohammedanern, Christen und Juden, sind die Jesidier gezwungen, die Grundlehren ihrer Religion geheimzuhalten. Sie nennen sich daher, wenn sie nach ihrer Religion gefragt werden, einem Mohammedaner gegenüber Mahammedaner, einem Christen gegenüber Christen und einem Juden gegenüber Juden.

Wenn die Jesidier nach Mossul kommen, werden sie von der Obrigkeit, auch wenn man sie erkennt, nicht angehalten. Der Pöbel versucht bisweilen hingegen, sie zu prellen. So ein gemeiner Mensch beginnt über den Satan zu schimpfen, von dem die Jesidier glauben, daß ihn Gott eines Tages wieder in Gnaden aufnehmen werde, und die Folge davon ist, daß die Jesidier lieber alles, was sie angeboten haben, Eier und Butter zum Beispiel, zurücklassen, als mit anzuhören, wie ein Engel beschimpft wird. In den Gegenden allerdings, wo sie die Oberhand haben, darf niemand den gefallenen Engel Gottes beschimpfen, will er nicht verprügelt werden oder gar sein Leben verlieren.

Die Jesidier werden von den Mohammedanern so verabscheut, daß Schafei, einer ihrer bedeutendsten Lehrer, es nicht einmal als böse Tat ansieht, wenn ein Muslim (Rechtsgläubiger) einen Dauasin (das ist der arabische Name für die Jesidier) tötet (um 1765).

Carsten Niebuhr

Aus: Düchting/Ates, Stirbt der Engel Pfau, Geschichte, Religion und Zukunft der Yezidi-Kurden, Edition Komkar, Köln 1992, S. 194f.

Laubacher Feuilleton 16.1995, S. 6

 
Fr, 16.09.2011 |  link | (1409) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Goettliches



Zwischenräume

Kennen Sie diese Eierschneider? Sie sind dadurch gekennzeichnet, daß das hart gekochte Ei in eine hierfür vorgesehene Vertiefung gelegt wird, worauf mittels eines an dem Apparat schwenkbar befestigten Rahmens, der einige, in der Regel fünf, straff gespannte Drähte aufweist, das Ei in einer Anzahl von Scheiben geschnitten wird, die der Anzahl der Drähte entspricht.

Der Künstler Wolfgang Groh nahm die Zwischenräume des eigentlichen Eierschneidegerätes heraus, nämlich das mit dem Schneidedrähten versehenen Rahmens, und formte diese in extra hartem Zahnarztgips nach, was eine Reihung von höchst fragilen, eigentümlich gespannten kleinen Objekten ergab. Diese Objekte montierte er zusammen mit anderen auf einem großen Tisch, der wiederum im Rahmen einer Kunstausstellung gezeigt wurde.

Besucher dieser Kunstausstellung waren auch Mitglieder der Wirtschaftsjunioren in München e. V., deren eines in Unkenntnis der Fragilität der Objekte und möglicherweise aus einem den Wirtschaftsjunioren eigenen Übermut den einen Seitenzwischenraum derartig heftig mit dem Finger traktierte, daß dieser, nämlich der Zwischenraum, zerbrach.

Auf nicht unerheblichen Schadensersatz in Anspruch genommen (schließlich ist die Herstellung von Zwischenräumen in Zahnarztgips ein mühseliges Unterfangen), gestand er nur die Hälfte des geforderten Betrages zu. Er wurde auf die andere Hälfte verklagt, was zu einer Verhandlung vor dem Amtsgericht München führte.

Der Richter war mit der konkreten Erscheinungsform der Zwischenräume nicht derart vertraut, daß er nicht eigene Augenscheinnahme verlangte. Der Künstler Wolfgang Groh übergab durch seinen Anwalt dem Richter die beiden Bruchstücke des zerstörten Teiles und die nicht zerstörten Zwischenräume.

Der Richter nahm das Gegenstück des zerstörten Teiles in die Hand.

Zitat Protokoll (buchstäblich):

«Der Richter persönlich erklärt: Anläßlich der in Augenscheinnahme des streitgegenständlichen Objekts, habe ich einen Teil dieses Objekts in die Hand genommen. Aus Versehen ist es mir aus der Hand gefallen und auf dem Sitzungstisch in zwei Teile zerbrochen.»
Aktenzeichen: 161 C 9994/92

Mit dem Wirtschaftsjunior hat man sich in einer Weise verglichen, daß der größte Teil des Schadens gedeckt war; der bayerische Staat wurde erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen.

wsc

Laubacher Feuilleton 18.1996, S. 15
 
Mo, 08.08.2011 |  link | (1322) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Philosophisches











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