Maß(e) aller Dinge Das 18. Jahrhundert war eine Epoche, in der die Wissenschaften enorme Fortschritte machten. Wissenschaftler unterschiedlicher Nationen waren in allen erdenklichen Gebieten aktiv und bemüht, eine neue, rationale Weltordnung zu schaffen. Die französische Revolution hat in diesem Fall allerdings nicht die ansonsten eher hemmende Wirkung gehabt, im Gegenteil: Nach dem Sturz des Königreiches wollten die Republikaner nicht mehr mit Fuß-, Daumen- und Ellenmaß messen — gab es doch damals in ganz Frankreich mehr als 800 unterschiedliche Meßarten. Von Norden nach Süden, von einer Stadt zur anderen änderten sich die Maße, und noch ärger: ein und derselbe Begriff deckte häufig unterschiedliche Werte! Die ‹Bürger› sollten alle mit identischen Maßen und Gewichten messen. Vier Kriterien hatten dabei Priorität: Stabilität, Unveränderlichkeit, Ewigkeit und Universalität. Das neue System sollte für alle Menschen inner- und außerhalb Frankreichs gelten. Und was war allen Bürgern der Welt gemeinsam und unveränderlich? Die Erdkugel. Alle Menschen seien gleichwertig, war der Ausgangspunkt, alle Längengrade seien es auch, und unter jedem verlaufe ein Längengrad — der Meridian. Am 25. Juni 1972 verließen zwei Expeditionen Paris, mit dabei je ein Astronom: Delambre und Méchain. Die ‹Assemblie Nationale› hatte die beiden ‹accadémiciens› beauftragt beauftragt, den ‹Meridien de Paris› zu messen, bis Dünkirchen der eine und der andere bis Barcelona (vermutlich deshalb, da beide Städte auf Meeresniveau liegen). Sieben Jahre — genauso lang wie die Erste Republik — dauerte es, bis die Messungen und Berechnungen den vierzigmillionsten Teil des Längengrades ergaben: den ‹Meter›, benannt nach dem griechischen ‹Metra›. Alle anderen Längenmaße sollten nun davon abhängen, und zwar nach dem Prinzip des Zehnersystems. Zur selben Zeit arbeiteten in Paris Antoine Laurent de Lavoisier und René Juste Haüy an der Ermittlung des Gewichtsmaßes Kilogramm. Dabei sollten alle Maße ‹universal› sein, zumindest international. Auch die Maße des Mehrfachen wurden aus dem Griechischen entlehnt: hecto, kilo, myria, die Untermaße aus dem Lateinischen: deci, centi, milli — et cetera. Zur Prüfung der Berechnungen wurde eine Kommission gegründet, der Wissenschaftler aus verschiedenen europäischen Ländern angehörten. Und am 22. Juni 1799 wurden in Paris Meter und Kilogramm als allein gültige Maße feierlich ‹eingeweiht›. Nicht beteiligt an der Suche nach den Maßen aller Dinge waren die Engländer. Das mag zum einen daran gelegen haben, daß sie die Umstellung der Längen- und Gewichtsmaße als Angriff auf die Monarchie empfanden. Sicherlich spielte dabei aber auch die jahrhundertealte Rivalität zwischen Frankreich und England eine Rolle. Nun existiert, fast 200 Jahre später, das englische Königshaus noch immer. Aber beim Messen gilt nun auch für die Briten: nicht mehr Pi mal Daumen oder Fuß ... Martine Dallennes Laubacher Feuilleton 20.1996, S. 15
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