Hoch und Niedrig, Arm und Reich

Oh, mit dem Mangel bin ich vertraut, in meine vier Wänd geniert er mich wenig, der dürre lumpige Kamerad — aber unter die Leut gehn damit — das is eine Tortur, der meine Nerven nie gewachsen waren. zu Haus nix zu essen haben, das is wohl traurig, aber weit fürchterlicher ist eine Diner-Einladung, wo einen das Verhängnis zu einem unerschwinglichen Chapodl, zu unmögliche Glacéhandschuh zwingt. Da setzt man das Teuerste dran, da wird das Palladium verpfändet; denn die Not ist noch ein Genuß gegen die Notwendigkeit, die Not zu verbergen.

Der Schützling , II, 4


Die Welt scheint sehr glatt, wenn man sie auf lackierten Wagenrädern befährt, die Welt scheint nicht uneben, wenn man sie mit guten Stiefeln betritt; aber die Welt ist fürchterlich rauh: das kann nur der beurteilen, der öfters auf ihr herumspaziert.

Die beiden Herren Söhne , IV, 5


Sie reden von Ihren Rechten der Geburt, und ich studier grad, ob es recht is, daß Sie geboren sind.

Mein Freund , II, 23


Man redet gegen die Lotterie, ohne zu bedenken, daß sie die einzige Spekulation der Armen ist. Die Lotterie verbieten heißt: dem das Reich der Träume verwehren, dem die Wirklichkeit ohnedies nicht geboten.

Nachlaß


Komische Typen

In der Kleinstadt-Apotheke

Kunde: Müssen S' nicht übelnehmen, Herr Ratsvorstand, aber der Doktor sagt, das is ganz was anders, als was er verschrieben hat.
Apotheker (die Medizinflasche prüfend betrachtend): Den Matthies soll der Teufel holen.
Kunde: Manchmal macht's doch ein Unterschied, ob man das einnimmt oder das.
Apotheker: I glaub's! Sie sind ein Hämorrhoidarius, und das is a Augenwasser. I schick Ihnen heut schon noch's Rechte.
Kunde: Ich empfehl mich gehorsamst!
Apotheker (aufgebracht): Das ist der dritte Fall in einer Wochen! 's Pintscherl von der Baronin hat er umbracht! Statt Rosenhonig — Cremor tartari!
Philippine (ihren Verlobten in Schutz nehmend): In der Zerstreuung is bald was g'schehn. Ein Pintscherl auf oder ab —
Apotheker: Da liegt freilich nix dran, aber die einzige Baronin, meine beste Kundschaft, is aus Rache oder Verzweiflung homöopathisch wor'n. Der hektischen Tabakkramerin hat er statt Eibischteig ein Diachilumpflaster geb'n, ganze vierundzwanzig Stund hat sie's Maul nicht aufbracht —!
Philippine: Drum war s' auch's Tags drauf viel besser auf der Brust.
Apotheker: Der Erfolg entscheidet nicht! — Dem will ich jetzt a Wetter machen.

Theaterg`schichten, I, 1,2

Johann Nestroy


Laubacher Feuilleton 1.1992, S. 12

aus: Närrische Welt, R. Piper & Co. Verlag, München, o. J.

 
Do, 20.08.2009 |  link | (1486) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Theatralisches






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