Rosenzweig und Riefenstahl Von jüdischen Namen Bis zur Mitte des 18.Jahrhunderts gab man sich in Deutschland mit den damals üblichen jüdischen Namen, die lediglich aus Vornamen bestanden, zufrieden. Aber ‹Samuel› oder ‹Sohn des Samuel› wurde den Behörden bald zu kompliziert, und um, wie könnte es in diesem Lande anders sein, «Unordnungen in der Konskription, in politischen oder gerichtlichen Verfahren und im Privatleben» zu vermeiden, zum Zweck der Assimilierung, also der Angleichung an die Sitten und Gebräuche des Landes, und wegen der «Unfügsamkeit der jüdischen Namen in Geschäften» wurde 1787 für alle Juden die Annahme von erblichen Familiennamen gesetzlich vorgeschrieben. Die Wahl ihrer Namen stand den Juden frei, allerdings nicht gestattet waren die des polnischen oder deutschen Adels. Grundsätzlich galt: Wer viel bezahlte, bekam einen ‹schönen›, wer wenig oder gar nichts für die aufgezwungene Namensverteilung berappen konnte, erhielt einen ‹häßlichen› Namen. Kostenlos waren solche, die von Tieren oder Städten abgeleitet worden waren, wie ‹Löwenkopf›, später ‹Lewinhaupt›, oder, man glaubt es kaum, ‹Waldheim›. Oft waren auch Spitznamen oder Eigenschaften, die an der jeweiligen Person beobachtet worden waren, die Ursache für den späteren Familiennamen, so zum Beispiel ‹Weisheitsborn›, ‹Goldlust› oder auch ‹Geldschrank›. Diese waren ebenfalls ‹gebührenfrei› und riefen nicht selten das allgemeine Gespött hervor. Nicht ganz umsonst, aber dennoch erschwinglich waren Namen mit den Endsilben Holz, Eisen oder Stahl. So dürften denn meine Ahnen, so Brecheisen denn jüdischer Provinienz ist, damals schon nicht eben über veritable Reichtümer verfügt haben. Nicht zu klären ist auch, ob die Vorfahren der ach so arischen Leni pekuniär mehr oder minder besser gestellt waren, also ob's denn Riefensthal oder Riefenstahl sein durfte. Denn die teuerste Namenskategorie bildeten jene Namen, die von Blumen oder Edelmetallen abgeleitet worden waren, also ‹Lilienthal›, ‹Blumenfeld› oder ‹Goldstein›, und nur die betuchteren unter den Juden konnten es sich leisten, eine solche Wahl zu treffen. So ist anzunehmen, daß der jüdische Nachname zu dieser Zeit eine Art Statussymbol darstellte, das Auskunft über Vermögen und gesellschaftlichen Rang gab. Aber damit noch nicht genug. Wer sich diesem Edikt widersetzte, sprich wer sich vier Wochen nach dessen Erlaß noch keinen rechtsgültigen, eingedeutschten Nachnamen ‹besorgt› hatte, mußte mit einer saftigen Geldstrafe rechnen und wurde darüber hinaus als Ausländer registriert und dementsprechend behandelt. (Die Nummer hatten sie scheinbar damals schon gut drauf, die Deutschen.) Namensänderungen waren, abgesehen von der sprachgeschichtlichen Entwicklung, nur in besonderen Ausnahmen und mit Genehmigung des Kaisers möglich. So hatte man es also, lange bevor es den Juden in Deutschland unter Hitler an den Kragen ging, geschafft, wenigstens erstmal die meisten der alten hebräischen Namen auszurotten. Bettina Brecheisen Laubacher Feuilleton 5.1993, S. 7 Die Photographie von Christian Reuther mußte hier aus technischen Gründen oben und unten beschnitten werden. Wir bitten um Entschuldigung bzw. um Verständnis. Ein Eindruck von der Bildgestaltung ist in etwa zu erkennen im Original Laubacher Feuilleton 5.1993, S. 1
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