Demeter — Ceres

Die Götter der Griechen

Demeter ist die göttliche Mutter. Auch sie hat die Liebe erfahren, aber ihr ganzes Wesen ist Mutterschaft, ist im Gegensatz zu Aphrodite die mütterliche Liebe. Wir kennen die ergreifende Sage, wie ihr die Tochter Persephoneia von Hades, dem Gott der Unterwelt, geraubt wird, und sie nun Tage und Nächte lang mit brennenden Fackeln die ganze bewohnte Erde durchstreift, die jammervoll klagende Mutter, bis auf Zeus' Befehl die Unterwelt die Tochter wieder herausgibt, aber nur für die eine Hälfte des Jahres, die andere muß sie im Hause der Toten verweilen. In diesem Bild sah der Grieche bekanntlich die Zeit der aufsprießenden und reifenden Kornsaat und die der Brache und Unfruchtbarkeit des Ackers; denn Demeter war ursprünglich eine Fruchtbarkeitsgöttin, Göttin des Erdschoßes. Aber der Grieche gab ihr bald den humanen Bezug, und dieser wunderbare Wandel von der Erdschoß- zur Mutterschoßgöttin, von der Kornmutter zur Kindsmutter, ist wiederum eines der vielen Zeugnisse der tiefen griechischen Menschlichkeit. Auch hier liegt also der doppelte Bezug zugrunde. Der kosmische: wie Aphrodite die Göttin des Meeres ist, erscheint Demeter die der Erde und des Ackerbaus — und die rein menschliche Beziehung: Aphrodite die Göttin der geschlechtlichen, Demeter die der mütterlichen Liebe. Der Bereich der Demeter ist enger und ihre Erscheinung ist nicht glanzvoll wie die der Aphrodite. Freilich ist sie schön, wie alle griechischen Götter von makelloser Schönheit sind, aber sie besitzt nicht den verführerischen Zauber der Liebesgöttin. So umgibt sie nicht der Glanz einer Aphrodite, aber ohne Zweifel ist sie die edlere Göttin. Aufschlußreich ist auch hier wieder die künstlerische Fixierung auf einen entscheidenden und elementaren Zug, eben das Muttertum. Wohl gibt ihr die Sage, die um alle Götter die buntesten Fabeln dichtet, gelegentlich einen Gatten, so einmal den König der Kreter, aber, so fügt Kalypso hinzu, die es dem Odysseus erzählt, ihr Hochzeitsbett war das dreimal gepflügte Brachfeld. Ihr Gattentum wird also kosmisch empfunden, in der menschlichen Sphäre ist sie nur die Mutter, die Muttersorge, der Mutterschmerz. Manchmal ist sie auch die Göttin des Todes, denn der Tote geht wieder in den Mutterschoß der Erde ein, und die Mutter, die Gebärende, ist dem Tode immer näher als der Mann. So erklären sich auch Mysterien von Eleusis, einem Ort bei Athen, den wir von ferne sehen werden. Es waren die geheimnisvollen, der Sage nach von Demeter gestifteten Weihen, denen sich die gläubigen Griechen unterzogen und über die niemals gesprochen werden durfte, so daß reichliches Dunkel über jenen Bräuchen liegt. Ohne Zweifel aber war es die Stätte, wo anknüpfend an das sterbende und wieder auferstehende Getreide, der Glaube an ein zukünftiges Leben, sonst dem daseinsfrohen Griechen völlig fremd, in tiefer Frömmigkeit gepflegt wurde. Im Athener Nationalmuseum werden wir der Demeter von Eleusis wieder begegnen. In einem der besterhaltenden und schönsten attischen Flachreliefs ist sie dargestellt, zu Erinnerung an die Stiftung der Mysterien, aufrecht und hoheitsvoll auf ihr Szepter gestützt, aber mit einer sanften und mütterlichen Neigung zu dem Knaben Triptolemos, dem sie das erste Getreidekorn in die erhobene Hand gibt. Sie bringt einen Kult, sie überreicht eine Aufgabe. Die dritte Göttin ist von noch größerer Bedeutsamkeit.

Friedrich Schuh

Laubacher Feuilleton 20.1996
 
Di, 28.04.2009 |  link | (2780) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Goettliches






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