Kunst — Geschmack Wo das Positive bleibt? Der Kritiker ist ja nicht bloß zum Nein-Sagen, sondern erst einmal zum Unterscheiden angehalten. Gleichwohl ist Kritik nicht Trichinenbeschau. Betreuung des Rezensierten? Ist der Rezensierte mein Bruder? Bin ich sein Hüter? Wie verhält sich der moralisch unter Druck stehende Kritiker, der nicht lügen will. Absinken. Die Leiden des nicht mehr jungen W. N. aus K. Sie beoabachten, wie ein Künstler, den Sie geschätzt und gegen Anfeindungen verteidigt haben, dabei ist, sich zu ruinieren. Gegen den Strom ist er zwar nicht immer geschwommen, doch hat er konstruktiv Widerständiges produziert. Die Kunstliebhaber und -sachverständigen hielten ihn für ein Talent in der Musik; und die Musikkenner meinten, er müsse wohl ein guter Maler und Objektemacher sein. Sie beobachten bei sich selbst, wie die Zuneigung schwindet — während das massenhafte Interesse immens zunimmt. Sie wollen aber auch nicht der selbsternannten Elite das Wort reden. Sie bemerken indes: Hier wird zunehmend teurere Ware für den billigen Geschmack hergestellt. Von den Massen wird der Künstler zwar nicht goutiert, auch nicht verstanden, aber angehimmelt. Der gute Mensch vom Dienst macht nur leider kaum mehr gute Kunst, Sie sehen statt dessen allzu viele gutgemeinte Arbeiten. Ein stadtbekanntes Boulevard-Organ stürzt sich auf den Künstler — oder er sich auf jenes —, dann legt man halt andere Maßstäbe an. Ganz klar: Man gerät in andere Gefilde der Kultur und der Unkultur. Man unterstellt, daß der Künstler den Konsens aufgekündigt hat, daß die vereinbarten Kriterien nun außer kraft gesetzt sind. Abwerten! Kunst ist nun mal keine Geschmacksfrage. Geschmack hat jeder Hund, und der riecht das Verdorbene noch viel früher. S. D. Sauerbier Laubacher Feuilleton 12.1994
S. D. Sauerbier
Prof. Dr. Samson Dietrich Sauerbier (* 1942) studierte Theater- und Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Publizistik in Wien, Hamburg und Berlin (FU); seit 1972 Dozenturen an Universitäten in Berlin, Köln und Aachen, seit 1986 apl. Professor für Kunstwissenschaft an der Universität Köln, 1990 und 1991 Gastprofessor für Kunstwissenschaft/Kunstvermittlung an der Gesamthochschule Kassel; seit 1993 Professor für Semiotik und Kommunikationswissenschaft an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee (emeritiert). Zahlreiche Buch- und Zeitschriftenbeiträge, u. a. zur Fluxus-Bewegung.>> kommentieren |
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