Monte Carlo

Geschichte der Spielbank (Teil 2) [Teil 1]

Gründung und Organisation der ‹Société des Bains de Mer et du Cercle des Étrangers.›

Im Oktober 1883 schloß Graf Bertora als Bevollmächtigter mit Charles III. einen Vertrag, kraft dessen die Konzession der Spielbank, auf weitere 30 Jahre prolongiert, vergeben wurde. Das bis dahin Blanc'sche Unternehmen wurde im März 1883 in eine Aktien=Gesellschaft unter dem Namen ‹Société des Bains de Mer et du Cercle des Etrangers› umgewandelt, und die Statuten der neuen Gesellschaft von Charles III. unterm 15. März genehmigt. Das Stamm=Kapital wurde auf 30 Millionen, eingeteilt in 60 000 Aktien à 500 Frks., fixiert. Die Aktien genießen eine feste 5% Verzinsung und partizipieren außerdem an der alljährlich zu verteilenden Superdividende, deren Höhe einzig und allein von den Direktoren festgesetzt wird. Das Geschäftsjahr läuft vom 1. April des Jahres bis 31. März des folgenden. Innerhalb der ersten vier Monate nach Ablauf eines jeden ‹Spieljahres› hat der ‹Conseil d´Administration› die nach kaufmännischen Grundsätzen aufzustellende Inventur und Bilanz sowie das Gewinn= und Verlust=Konto der ‹General=Versammlung› vorzulegen.

Die Teilnahme an diesen ‹General=Versammlungen› ist jedoch laut § 30 der Statuten nur denjenigen Aktionären gestattet, die mindestens über 100 Aktien = 50 000 Frks. nominell, verfügen! Man kann sich darnach wohl ungefähr vorstellen, wie diese ordentlichen ‹General=Versammlungen› frequentiert sind und wer die Beschlüsse zu Wege bringt. Das ‹Einladungsschreiben› zu einer solchen ‹Generalversammlung› hat folgenden Wortlaut: SOCIETE ANONYME DES BAINS DE MER ET DU CERCLE DES ETRANGERS DE MONACO. Messieurs les actionnaires sont convoqués en Assemblée générale ordinaire le samedi vingt-huit avril prochain, à deux heures de revelée, au siège social à Monaco.
L´Assemblée se compose de tous les porteurs de cent actions ayant déposé leurs titres au siège social au moins huit jours avant la réunion de l´Assemblée.
Nul ne peut se faire représenter à l´Assemblée que par un mandataire, membre de l´Assemblée.

Bei Gründung dieser lukrativen Aktiengesellschaft verfuhr man, wie folgt: 5000 Aktien erhielt der Fürst von Monaco; 4200 Edmond Blanc; 4000 Camille Blanc; 4000 Prinz Roland Bonaparte; 4800 Fürst Radziwill; 2000 Graf Bertora; 2000 Henri Wagatha; der Schwager der Madame Blanc. Ferner erhielten die ‹Société Immobiliare de Nice›, welche bei der Kapitalisierung des Unternehmens hervorragend engagiert war, mehrere Banquiers und Journalisten, der Maire de Nice, Mr. Boniglione, und einige einflußreiche Deputierte für ihre ‹Mühewaltung› eine Anzahl Aktien, sodaß im Ganzen etwa die Hälfte untergebracht war. Der noch verbleibende Rest von 30 000 Stück wurde dem Publikum angeboten und schnell gezeichnet. Das eigentliche Betriebskapital beträgt somit nicht 30, sondern nur 15 Millionen Frks. und blieb es bis zum Jahre 1897. Im November 1897 schloß die ‹Société des Bains de Mer› einen neuen 50jährigen vertrag ab, kraft dessen die Konzession bis 1948 währt. Dieser Vertrag, der den alten, nur bis 1913 laufenden annuliert, machte die Ausgaben neuer Aktien à 300 Frks. nötig, um den neu übernommenen Verpflichtungen nachkommen zu können. Die ‹Generalversammlung› genehmigte daher, weitere 100 000 Aktien auszugeben und übertrug alles Weitere dem Präsidenten Mr. Camille Blanc. Der ‹Neue Vertrag› legt der ‹Gesellschaft der Meerbäder› außer den alten Lasten noch folgende besondere Abgaben, resp. Verpflichtungen ob:

1. an die fürstliche Kasse im Laufe des Jahres 1898 zu zahlen 10 Mill.
2. im Laufe des Jahres 1914 weitere 15 Mill.
3. für moderne Hafenbauten, Kanalisation etc. 5 Mill.
4. für ein neues Theater (Opernhaus) 5 Mill.

Ferner ist vorgesehen, daß, wenn der jährliche Reingewinn 25 Millionen übersteigen sollte, der Ueberfluß mit 5% zu versteuern ist! Wem schwindelt da nicht bei diesen gewaltigen Zahlen, Ziffern, die hinreichten, einigen Tausenden fleißiger Menschen eine Existenz zu schaffen. —

Nun noch einige Worte über die Organisation dieser ‹behördlich protokollierten Spielbank auf Aktien›. An der Spitze des Unternehmens steht der ‹Conseil d'administration›, der Verwaltungsrat, der sich aus vier Mitgliedern, von welchen jedes über 400 Aktien = 200 000 Frks. nominell verfügen muß, und dem ein Präsident, (z. B. Camille Blanc) vorsteht. Dieser Verwaltungsrat wird auf 6 Jahre gewählt, doch muß sich die ‹Hälfte› seiner Mitglieder alle 3 Jahre einer Neuwahl unterziehen. Es ist dies der oberste und der ‹einzigste Rat›, und von seinen Dekretierungen, gegen die es keinen Rekurs giebt, hängt Wohl und Wehe des gesamten Unternehmens ab. Selbst der der Gesellschaft beigeordnete fürstliche Kommissar, der die Rolle eines ‹Ministre du jeu public› mit ziemlich viel Würde vertritt, hat keinen Einfluß auf die Verfügungen dieses allmächtigen Rates, denn es ist eine ‹Conditio sine qua non›, wonach die Spielbank bei allen Beratungen immer ein ‹noli me tangere› bleibt! Jede Woche tritt dieser ‹Rat› zu einer ‹Sitzung›, bei der gewöhnlich zwei Drittel der Mitglieder durch Nichterscheinen glänzen, zusammen, um sich in Verwaltungssachen zu beratschlagen. Mitglied dieses ‹Rates der Viere› zu sein, ist aber nicht nur ein hohes Ehrenamt, sondern auch ein höchst lukratives, indem dieselben außer ihren Diäten noch 2% als Tantieme vom Reingewinn, ungefähr ca. 50 000 Frks. à Person beziehen. Wahrlich ein beneidenswertes Einkommen. Alle höheren Chargen können nur mit Zustimmung dieses Rates ernannt werden. Der ‹Conseil d´administration› ernennt den ‹Generaldirektor›, der die laufenden Geschäfte zu erledigen hat, die beiden ‹Direktoren›, den ‹General=Adminitrator›, die verschiedenen ‹Administratoren› etc. Den Posten eines General=Direktors bekleidet z. Zt. Mr. George Bornier, der vom Roteau an sich zu dieser hohen Stellung emporgeschwungen hat. ‹Generaladministrator› ist z.B. Mr. Frédéric Wicht, ein geb. Friedrichsdorfer (Taunus), der diesen fetten Posten seit Jahren bekleidet. Die niederen Aemter werden durch den General=Direktor nach eigenem Ermessen besetzt.

Ueber die ‹Administration des Spiels› und ueber Gewinn und Verlust der Spielbank werden wir noch an anderer Stelle Gelegenheit haben, ausführlich zu referieren.

Nun noch ein Wort ueber den Stand der Aktien dieses Unternehmens. Bereits gleich nach der Emission (1883) machte sich eine langanhaltende Hausse geltend, und der Kurs stand 1894 bereits auf 2500. Dann fielen die Papiere 1895 infolge der ‹ungünstigen Konjunktur› auf 1800, doch erholten sie sich sehr schnell und standen bereits im März 1897 wieder auf 2340. Heute — 17. Dezemder 1898 — stehen sie sogar offiziell laut Kurszettel auf 4400, ein einzig in den Annalen der ‹Société des Bains de Mer› dastehender Fall!

Man sieht, es fehlt dem Unternehmen an nichts. Wie unter Francois Blanc´s väterlicher Leitung nie eine Stagnation im Betiebe eintrat, so hat auch das neue Regime noch keinen finanziellen Mißerfolg zu verzeichnen gehabt. Wenn auf allen wirtschaftlichen Gebieten von Jahr zu Jahr eine immer größere Depression um sich greift, die weitere Kreise in Mitleidenschaft zieht, so kann man dies von der Bank nicht behaupten. Im Gegenteil, Monte Carlo und seine ‹Aktiengesellschaft für Ausbeutung der Spielwut› prosperiert von Jahr zu Jahr mehr!

Fritz von der Elbe
Über den Autor sind uns keine Einzelheiten bekannt.


Laubacher Feuilleton 14.1995, S. 15


Aus: Monte Carlo, Indiskretionen und Erlebnisse aus einer Spielhölle, Druck und Verlag von Wilhelm Köhler, Minden i. W., circa 1900, Seiten 13-18; wird fortgesetzt

 
Mi, 23.03.2011 |  link | (1698) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Historisches






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