Monte Carlo

Geschichte der Spielbank (Teil 1) [Teil 2]

Nicht Mr. François Blanc, der bekannte ehemalige Pächter der Spielbank von Homburg v. d. H., war der Gründer der Spielbank von Monaco, sondern diese existierte schon lange Jahre vorher, ehe Blanc daran dachte, nach dem sonnigen Süden zu übersiedeln. Schon 1856 hatte Charles III., der sich damals in großer Misere befand, der Firma Langlois, Aubert et Co. die Konzession zum Betriebe einer Spielbank auf die Dauer von 30 Jahren verliehen, wofür ihm als Aequivalent 40 000 Frks. per annum zu entrichten waren. Roulette und Trente et Quarante, bei dem damals das Minimum 2 Frks. betrug, wurden zuerst in einem Hause an der Place du Palais in Monaco etabliert. Später wurde dann die Spielbank nach der Propriété Gerborino in der Rue des Remparts, welche zu einem, wenn auch kleinen Kasino mit Spiel und Konzertsaal hergerichtet wurde (heute in ein Waisenhaus ungewandelt), verlegt. Die ersten Unternehmer hatten jedoch kein sonderliches Glück und übertrugen die Konzession an die Herren Grivois et Lefèvre. Diese siedelten mit dem Roulette in die bequemer gelegene Condamine, wo sie einen neuen Spieltempel errichteten, die heutige Villa Bellevue. Erst später erbauten sie dann, auf dem Plateau des Spelugues ein komfortabel eingerichtetes Kasino. Aber merkwürdigerweise, trotzdem Tausende von Geldsüchtigen das neue Dorado aufsichten, reussierte das Unternehmen nicht. Wer zog damals auch nach Monaco, diesem öden verarmten Lande, das selbst als Landaufenthalt nicht den mindesten Reiz ausübte? Was Wunder, daß die großen Spieler einstweilen noch ihre Millionen in den rheinischen Bäder ließen. Die Herren Grivois et Lefèvre boten daher Mr. Benazet, dem Spielpächter von Baden-Baden, das Geschäft an. Der aber hatte an seiner renommierten und lukrativeren Spielhölle genug und lehnte ab. Man wandte sich jetzt an Mr. François Blanc, dem genialen Leiter der Homburger Spielbank, und dieser trat dem Projekt näher. Der schlaue Père Blanc›, wie er in Spielerkreisen genannt wurde, sah gleich in dem klimatisch viel günstiger gelegenen Monaco ein neu zu bauendes, großen Gewinn versprechende Terrain und gegen Zahlung von 1 700 000 Frks. an die Herren Grivois et Lefèvre sicherte er sich den Alleinbetrieb der bis 1883 laufenden Konzession der monogaskischen Spieldomäne. An die einstige Herrschaft der Firma Grivois et Lefèvre erinnert heute nur noch eine kleine Kapelle neben dem Hotel Balmoral-Palais, welche Madame Grivois jedenfalls jedenfalls in dankbarer Erinnerung der vielen Opfer, durch welche die Firma sich bereicherte, erbauen ließ. —

Jetzt nahm François Blanc, ein unstreitig organisatorisches und Werte schaffendes Genie, sich der neuen Erwerbung mit Eifer an. Er verstand es, das bis dahin ziemlich obskure Monaco zu einer Welt-Berühmtheit zu machen. Sein Homburger Unternehmen hatte der kluge Alte bereits in richtiger Erkenntnis der gegen die öffentlichen Spielhäuser in Deutschland gerichteten Agitation in eine Aktien-Gesellschaft umgewandelt. Bereits 1870 schickte er sein gesamtes Personal, Croupiers, Inspektoren, Orchester etc., nach Monte Carlo, und bald herrschte hier dasselbe Treiben wie in seinem Stammhause. Das schon vorhandene Kasino auf dem Plateau des Speluges wurde renoviert und vergrößert, und die öden Felsklippen zu wundervollen Terrassengärten umgestaltet. Schnell erstanden neben dem ältesten und komfortabelsten Hôtel des Paris, damals dem einzigsten auf dem Plateau des Spelugues, zahlreiche kleinere und größere Hotels, Villen, Magazine, Cafés etc. Wie Pilze aus der Erde war über Nacht eine neue Stadt hervorgeschossen, Blanc verstand es meisterhaft, diese öden, meerumbrausten Klippen des Plateau des Spelugues in einen entzückenden Park, in ein irdisches Paradies umzuwandeln. Zu Ehren des Fürsten Charles III. wurde der neuerstandene Ort Monte Carlo genannt.

Die neue, 1868 eröffnete Bahnverbindung zwischen Nizza und Genua erschloß Monaco schnell der großen Touristenstraße, und als dann durch Gesetz vom 1. Juli 1868 die deutschen Spielsäle bald darauf geschlossen wurden, kam Monte Carlo erst recht zur vollen Blüte. Von da an wurde es der luxuriöseste und bevorzugteste Sammelort aller Spieler — ein kosmopolitischer Spielplatz ... Während des Krieges 1870/71 war das Kasino geschlossen. Die Mehrzahl der Kasino-Angestellten wurde, weil Deutsche, ausgewiesen und mußte in San Remo Aufenthalt nehmen, von wo sie erst nach dem Friedensschlusse zu ihrer gewohnten Thätigkeit zurückkehren konnte. Père Blanc brachte es fertig, gewaltig mit dem gewonnenen Gelde zu klimpern und immer neue Besucher herbeizuführen. Er wußte alle Hebel in der Verlockung in Bewegung zu setzen, die seinem erfinderischen Kopfe alle Ehre machten. Zuerst versicherte er sich der Presse, deren Macht er häufig mit Erfolg erprobt hatte, und bald ertönte die litterarische Lockpfeife nach allen Richtungen der Windrose. Eine Anzahl der geistreichsten Feuilletonisten aller Länder wurde von ihm für ihre Schilderungen und Reiseberichte — in welchen die Nachricht von der ‹Sprengung der Bank› beständig wiederkehrte — aufs fürstlichste honoriert. So gelang es ihm, sich einen Kundenkreis zu verschaffen, und die Millionen, die bis dahin in den deutschen Spielbädern geblieben waren, flossen nach Monte Carlo.

Am 27. Juli 1877 starb Père Blanc plötzlich inmitten seiner Erfolge mit Hinterlassung eines Vermögens von 80 Millionen Frks. Dieses ganze kolossale Vermögen ging — mit Ausnahme einiger kleinen Legate und 500 000 Frks., die er der Église Saint Rochus in Paris vermachte mit der Bestimmung, dafür Messen für sein Seelenheil zu lesen — an seine untröstliche Witwe und seine 4 tieftrauernden Kinder über. —

Madame Blanc, eine geb. Hensel aus Friedrichsdorf bei Homburg v. d. H., war eine Geschäftsfrau, comme il faut, und führte nun, assistiert durch Graf Bertora, einen Freund ihres verstorbenen Gatten, das Unternehmen fort, und zwar mit noch größeren finanziellen Erfolgen wie ihr verstorbener Gatte. Das Kasino, zu klein, um die Zahl der Besucher fassen zu können, mußte umgebaut und um zwei weitere Säle vergrößert werden. Während dieser baulichen Veränderungen wurde das Spiel nicht einen Tag unterbrochen, sondern im Hôtel des Paris weitergespielt! Durch Charles Garnier, den Architekten der Pariser Oper, wurde ein neues, mit Goldstuckatur und Gemälden überladenes Theater und ein Atrium mit herrlichen Säulengängen erbaut. Was Europa an Celebritäten der Kunst besaß, die ersten Bildhauer und Maler wie Gustave Doré, Fayen-Perrin, G. Boulanger, Clairin, Lix etc. wurden herangezogen und statteten das Kasino mit jenem feenhaften Luxus aus, in welchem es noch heute sich dem überraschten Auge darbietet. Dies alles wurde in 9 Monaten hergestellt, und als dann die gastlichen Hallen wieder ihrer Thore öffneten, soll, wie uns versichert wurde, das Orchester die Neueröffnung mit Beethovens berühmter Ouverture, ‹Die Weihe des Hauses›, eingeleitet haben!

So war denn das Glück des Hauses Blanc gemacht. Madame Blanc, der es an einem ihrer hohen Stellung würdigen Heim mangelte, ließ sich an der Avenue de Monte Carlo ein großartiges, luxuriös eingerichtetes Palais — das heutige Monte-Carlo-Hotel — bauen. Auch gesellschaftlich sicherte sie sich vermöge ihres Mammons eine einflußreiche Position. Ihre Töchter wurden gar bald von Grafen und Fürsten umworben, und Marie, die jüngere der beiden Schwestern, vermählte sich mit dem Prinzen Roland Bonaparte, dem Sohn des wegen seiner Raufboldereien sattsam bekannten Prinzen Peter Napoleon, Neffen Napoleons III., während Louise durch ihren Ehebund mit dem Fürsten Konstantin Radziwill dessen Wappen aufs neue vergoldete. Auch ihren beiden Söhnen fehlte es nicht an hohen Konnexionen; Edmond Blanc brachte es bis zum Maire von Saint Cloud und Député der Hautes Pyrénées. Er besitzt auch als Pferdepächter ein großes Renommee und wurde 1897 von dem französischen Minister zu dem wichtigsten Posten eines Membre du Conseil superieur des Haras ernannt. Camille Blanc ist Président du Conseil unique, steht also an der Spitze des Kasinos und besitzt nebenbei noch einen renommierten Rennstall. —

Als 1883 die alte Konzession erlosch, wurde das Unternehmen von der Familie Blanc (Madame Blanc war inzwischen verstorben) in eine Aktien-Gesellschaft umgewandelt. Ueber die Aktionäre und die Organisation dieser neuen Gesellschaft soll ein weiteres Kapitel orientieren.

Fritz von der Elbe
Über den Autor sind uns keine Einzelheiten bekannt.

Laubacher Feuilleton 5.1993, S. 15

Aus: Monte Carlo, Indiskretionen und Erlebnisse aus einer Spielhölle, Druck und Verlag von Wilhelm Köhler, Minden i. W., circa 1900, Seiten 13-18; wird fortgesetzt

 
Do, 03.09.2009 |  link | (1921) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gesellschaftliches






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