Farbenlehre: Grün

Einst sagte Mama Blau: Mein Kind,
Bleib hier! Ich kaufe ein geschwind.

Doch schlich das kleine Blau verstohlen
Hinaus das kleine Gelb zu holen.

Jedoch das Haus vom Gelb war leer.

Das kleine Blau lief hin und her

Und kreuz und quer und quer und krumm

In der gesamten Stadt herum.

Bis es um eine Ecke rannte
Und dort das kleine Gelb erkannte.

Da bist du ja! Ich suchte dich.
Sie lachten und umarmten sich.

Da wurden sie durch diesen Spaß

Bei der Umarmung grün wie Gras.

[...]

Aus: Leo Lionni Das kleine Blau ud das kleine Gelb, übertragen aus dem Englischen und in Verse gesetzt von Günter Stohbach; alle Rechte beim Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1962; mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Laubacher Feuilleton 4.1992, S. 16

 
Sa, 14.05.2011 |  link | (1067) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Lyrisches



Die Neger und die Marionetten

Neger härmten sich und starben
Auf dem Schiffe dutzendweise,
Starben, starben, und verdarben
Dem Patron die ganze Reise:
«Blitz! die Waare muß man retten!
Ei vergeßt doch eurer Ketten,
Seht auf meine Marionetten,
Gute Sklaven, seid vergnügt!»

Also läßt er auf der Stelle
Den Theaterkasten bauen,
Quäkend zeigt sich Pulcinelle,
Frau und Nachbar sind zu schauen;
Negern sind das fremde Sachen,
Sie verwundern sich, sie machen
Große Augen, ja, sie lachen!
Gute Sklaven, seid vegnügt!

Pulcinell, ein arger Zänker;
Mord und Todschlag! — kommt der Richter, —
Kommt der Galgen, — kommt der Henker, —
Gar befremdliche Gesichter!
Jener Ketten sind indessen,
Harm und Leiden schon vergessen,
Seht, sie lachen wie besessen,
Gute Sklaven, seid vergnügt!

Und der Teufel holt am Ende
Pulcinell, er unterlieget.
Jene klatschen in die Hände;
Schwarz! Triumph! Er! wir! er sieget!
Lassen von dem Stück sich irren,
Jubeln, schreien, jauchzen, schwirren, —
Helden, deren Ketten klirren,
Gute Sklaven seid vergnügt!

Pierre-Jean de Béranger


Laubacher Feuilleton 9.1994, S. 16

Aus: Epochen deutscher Lyrik, Übersetzungen, dtv, wissenschaftliche Reihe, München 1974. S. 360 – 361; Übersetzung: Adelbert von Chamisso

 
Do, 10.09.2009 |  link | (1082) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Lyrisches



Wollust

In wüster Schmach Vergeudung heil'ger Glut
ist Wollust, wenn sie praßt, — und leergepraßt
bricht Schwüre sie, verleumdet, lästert, haßt,
buhlt mit dem Grauen, bangt und giert nach Blut, —

gesättigt kaum, von Ekel schon gehetzt, —
sinnlose Lüsternheit und, kaum verraucht,
sinnlose Düsterkeit, in Wut getaucht,
als hätt' ein Tollkraut die Vernunft zerfetzt, —

maßlos im Rausch, im Taumel, in der Wahl, —
im Wunsche Wahnsinn, Wahnsinn in der Brunst, —
erdürstet Üppigkeit, genossen Dunst, —
verzückt vor Wonne, dann erdrückt von Qual ...

Ach, jeder kennt und — Jeder geht den Weg:
zu dieser Hölle diesen Himmelssteg!

William Shakespeare
nachgedichtet von Richard Dehmel

Laubacher Feuilleton 2.1992, S. 5

129. Sonett, aus: Epochen der deutschen Lyrik, hrsg. von Walter Killy, Band 10, 2. Teil,
Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1977, S. 519

 
So, 23.08.2009 |  link | (1038) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Lyrisches



Stonehenge Stroganoff

Wir kochen heute abend groß.
Ich mache eine Art Stonehenge
Stroganoff.
Marcia hilft mir dabei. Ihr
kennt schon die Legende
ihrer Schönheit.
Ich hab sie gebeten, Knoblauch
ins Fleisch zu reiben. Sie nimmt
jedes einzelne Stück Fleisch
und reibt es zärtlich mit Knoblauch ein.
Ich hab so etwas noch nie
gesehen. Jede Öffnung
im Fleisch wird durchforscht, unnachlässig
mit Knoblauch behandelt.
Hier wird eine Leidenschaft spürbar, die
einen tauben Heiligen dazu bringen könnte
Violine zu lernen und in Stonehenge
Beethoven zu spielen.

Richard Brautigan

Die Pille gegen* das Grubenunglück von Springhill und 104 andere Gedichte, Verlag Günther Ohnemus, München 1980, S. 63. Mit freundlicher Genehmigung des Eichborn Verlages, Frankfurt am Main, für das

Laubacher Feuilleton 2.1992, S. 2

 
Do, 06.11.2008 |  link | (1808) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Lyrisches



Die Grammatiker

Emsig-müßiges Volk der Grammatiker, stechende Wespen,
Raupen, die ihr kein Blatt fremder Gewächse verschont,
Es zernaget und dann wie auf Dornen häßlich umherkriecht,
Jedem Gemeinesten hold, jedem Vortreflichern feind.
Schmach der Weisen! dem lernenden Knaben die erste Verfinsterung!
In den Orkus hinab, Cerberus-Hunde mit euch!

Antiphanes (4. Jhdt. v. u. Z)
nachgedichtet von Johann Gottfried Herder

Laubacher Feuilleton 1.1992, S. 1
 
So, 12.10.2008 |  link | (1377) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Lyrisches









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