Der Zeichner Michael von Cube Eine unserer Kunstkoryphäen, der Wuppertaler Ästhetik-Professor Bazon Brock hat gefordert, die Persönlichkeit eines Künstlers müsse jederzeit hinter seiner Arbeit sichtbar sein. Bei Michael von Cube kulminiert das: Er sieht aus wie die Menschen in seinen Zeichnungen. Alles an ihm ist ein bißchen schräg, ständig reizt da was zum Schmunzeln wenn nicht gar zum Lachen, hat man das Gefühl, vor (auf) einer geradezu entwaffnenden Aufrichtigkeit zu sitzen, in fortwährender Bereitschaft, sich selbst zu karikieren. «Mir ist jedes Mlittel recht», meint der End-Twen, «um den Leuten ans Bein zu pinkeln.» Deshalb wohl hat er jetzt auch zu malen begonnen. Großformatig, zwei mal drei Meter, als ob's ein Neuer Wilder wäre. Ist er aber nicht. Er gehört diesem oft schludrig malenden Wanderzirkus nicht an, in dem viele Artisten über dem Netz der steigenden Nachfrage turnen. Auch in seinen großflächigen Gemälden wird deutlich, daß die Ur-Disziplin Zeichnung den Pinsel gefuhrt hat. «Bilder sind ja praktisch auch gezeichnet. Auch der Bildhauer macht sich vorher seine Striche auf den Stein.» Sagt's und deutet damit an, daß er demnächst auch Steine klopfen wird. Ob der Kunstmarkt auch vom Strich beherrscht wird? Das einzige, was ihn daran stört: Daß er da noch unter ferner liefen gehandelt wird. Noch lebt er «eigentlich schlecht von der Kunst». Die 500 Mark Stipendium die ihm das Münchner Kulturreferat für seine Position als «zeichnende Lokalgröße bezahlt, reichen nicht mal für die Miete. Wovon er dann lebt? Das sei nicht druckreif, meint er. Das aber schon: Die Staatliche, Graphische Sammlung Bayerns ist ständig in seinem 12-Quadratmeter-Atelier zu Gast und kauft. Als ob es darum ginge, die Kunst des Michael von Cube nicht aus den Stadtmauern rauszulassen. Ihm wäre das schon lieb. Er hofft auch, «daß die Leute mir nach diesem Artikel die Bude einrennen». Sich selber um den Verkauf zu kümmern, liegt ihm nicht. Er sei nämlich «ziemlich faul». Die Arbeit des Künstlers betrachtet er «nicht als größeren Aufwand. Egal, was die Kollegen dazu sagen, die sich ununterbrochen irgendwas von ihrer Seele abringen. Ich mache Kunst, weil es mir einen Heidenspaß bereitet und weil's besser ist als Müllabfuhr.» Ursprünglich wollte der Abkömmling des Wissenschaftsjournalisten Alexander von Cube Frauenarzt werden. Das weibliche Geschlecht hatte es ihm angetan (und tut es heute noch). Aber in seinem zwölften Lebensjahr gab er diesen Berufswunsch endgültig auf, um Zeichner zu werden. Diesem Entschluß fiel wohl auch das Abitur zum Opfer. «Ich hab' halt immer diese Zeichnerei gemacht.» Seinem Lehrer an der Münchner Kunstakademie, Mac Zimmermann, hat Michael von Cube allerdings «kaum mehr als eine Zeichnung vorgelegt». Das Zeichnen als «Ausgangsbasis der Bildenden Kunst» hat er zuhause in den Griff gekriegt. Ein Abschluß-Diplom gab's trotzdem. Und drei Jahre danach beinahe einen Preis. Die Jury des bundesweiten Wettbewerbs Dimensionen '81 — Neue Tendenzen der Zeichnung hatte ihn (von 1306 Mitbewerbern) in die engste Wahl gezogen. Als Sieger ging zwar ein anderer durchs Ziel, aber seine Zeichnung Die Braut immerhin auf Wanderschaft durch die heil'gen Hallen Berlinische Galerie und Kunstpalast Düsseldorf. Dem Münchner Kunstverein war das Anlaß genug, Anfang dieses Jahres fünf Wochen lang umfassend diese Cubes auszustellen, in denen «das Leben nunmal grotesk» ist. Seine erste Ausstellung hatte er in einer Kneipe. Als Gage für diese eine vorgezeigte Zeichnung gab's ein Freibier. Was er in Ordung fand, denn Michael von Cube trinkt mit Vorliebe Bier. Nach einer weiteren Kunstschau in einer Privatgalerie reagierte zum ersten mal die Presse. Und dann geschah ein Wunder, nachdem er sich mit «auch so 'nem Hungerleider» zusammengetan hatte. Rainer Schmals hängte seine Münchner Galerie Neuhausen mit Cubes kreativem Alltag voll. Und verkaufte «reichlich». Von den Leuten, die seine Arbeiten kaufen, kennt er bloß das Einkommen. «Weil ich meine Preise kenne.» (Zeichnungen zwischen 1.500 und 2.600 Mark, Gemälde 5.500 Mark.) Die meisten dieser wachen Kunstkäufer sind unwesentlich älter als er, «stehen aber mit beiden Beinen auf der Erde». Und er mitten in der Kunst? Ja. Denn der «Zufalls-Münchner» findet es «ideal, wenn man für diese Art des Meckerns auch noch bezahlt wird». Nur: Bewirken könne man mit der Kunst nichts. Wer verändern will, solle in die Politik gehen. Michael von Cube aber will zeichnen und malen, und sonst gar nichts. Allenfalls noch bildhauern. Der «Spezialist im Männchenzeichnen» zielt auf einen menschlichen Egoismus, der «auf die falsche Art abgeht». Er begreift nicht, daß die von ihm be- und gezeichneten Menschen das nicht begreifen: «Der nächste Weltkrieg wird vorbereitet, aber die Friedensfreunde lassen Luftballons steigen. Ganz in der SPD-Tradition gibt's auch bei der CDU/CSU bei sechs Prozent Inflation 3,5 Prozent mehr Lohn. Wenn überhaupt. Und drumherum drapieren die Grünen ihre Blümchen. So kann der Laden ja nicht laufen.» Wann sein Laden laufen wird, ist abzuschätzen bei so viel Können. Und der Bereitschaft, dem Kunstmarkt beizutreten. Schließlich ist es die Aufgabe des Künstlers, «erstmal den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen». Dafür malt er auch schon mal vier Bilder in zwei Tagen. Als konzentriertes Resultat vorausgegangener, «etwas länger andauernder Kopfarbeit». Das hat mehr mit Handwerk und weniger mit Verarschung zu tun: «Avantgarde ist, wenn man den Leuten von vorn in den Arsch kriecht.» Die Leute sollen «vor meinen Bildern stehen und einen Aha-Effekt erleben». Das können Al Capone (mit Freundin) sein, Pinky (beim Papst), die schaurig-schöne Tänzerin in Peep oder M.v.C. (mit grünem Pullover) persönlich. Auch sich selbst zeichnet er gegen den Strich elner Realität, die ständig versucht, der Satire zu entfliehen. An diesem feinnervigen Humor bleibt die Kunstkritik spätestens dann hängen, wenn sie den Nachweis eines eigenen erbracht hat. Vielleicht schon ab 1. Dezember in Lausanne, wo Michael von Cube auf der Internationalen Jugendtriennale + Meister der Zeichnung vertreten ist. Wenn's nicht klappen sollte, ergreift der Künstler einen «ordentlichen Beruf», der da wäre: «Reich heiraten.» Detlef Bluemler Irgendwann Anfang der achtziger Jahre verfaßt für den neuen Twen. Doch dann hatte Jürgen Möllemann, der die Rechte an der legendären Zeitschrift gekauft hatte und sie wiederbeleben wollte, mit einem Mal die Lust verloren. So kam es nicht zum Druck dieses Textes. Ein Teil davon sollte jedoch Verwendung finden, als, im Wortsinn, irgendwann der Punk abging. So lautete jedenfalls der Titel einer Ausstellung um 1985, zu der die Münchner Edition Lipp ein Katalogbuch herausbrachte.
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