Telephonepidemie Zufällig schaue ich aus dem Fenster, und da steht schon wieder auf der Straße so einer (diesmal kein Kinderschänder), der sich ein sogenanntes Handy ans Ohr quetscht und aufgekratzt, mit irrem Blick, in dasselbe quasselt. Inzwischen sieht man ja auch immer mehr Leute, die das sogar beim Gehen tun — sie müssen sehr in Eile sein. Wenn ich Handy-Benutzer bloß sehe, steigt automatisch mein Adrenalinspiegel, und Haß würgt mich, den doch sonst so Milden, der ich zu Aggressionen doch sonst kaum fähig bin. Woran mag das liegen? Daran, daß ich noch aus einer Zeit stamme, als gerade das Schnurtelephon erfunden und der erste segensreiche Satz — «Das Pferd frißt keinen Gurkensalat» — per Draht gekrächzt wurde? Bin ich bereits vergreist und neidisch nur, der neuen Zeit, der großen Handy-Zeit, hinterherzuhinken? Nichts gegen das klassische Telephon, damit habe ich nicht die geringsten Probleme (außer mit der Rechnung). Und ich bin begeisterter Faxist. Warum aber wird ein Handy für mich niemals comme il fault sein? Die Gründe sind ästhetisch-ethischer Art! Leute, die auf der Straße am Handy hängen, sollten sich einmal auf Video betrachten: dämlich und lächerlich sehen sie dabei aus, wie die Verwirrten, die im Selbstgespräch vor sich hinbrabbeln. Als ich jedoch kürzlich einer jungen Schönen, ganz en passant, pädagogisch wertvoll zuraunte: «Wenn Sie sich so selbst sehen könnten, würden sie nie wieder auf der Straße telephonieren!», giftete die bloß keifend zurück: «Verpiß dich, alter Sack!» Nun zum Ethischen: Es zeugt nicht gerade von großer Rücksicht, seine Mitmenschen in Cafés, Restaurants, Theatern und Konzertsälen mit den Lockrufen eines Handys zu belästigen — zweifellos eine akustische Körperverletzung. Und dann wird man ja nicht nur — schlimm genug — Augenzeuge jener ästhetisch absurden, unzierlichen Handy-Handhabung, sondern auch noch Ohrenzeuge banalsten Geplappers. Was für Menschen mögen das sein, diese Handy-Führer? Ein mir bekannter TV-Moderator gehört auch dazu. Beim Restaurantessen liegt das Handy immer neben seinen Tellern. Aber es klingelt, bimmelt oder schnarrt nie. Inzwischen gibt es Agenturen, die auf Bestellung anrufen. Vielleicht sollte der mittlerweile zahnlose TV-Tiger dort abonnieren? Ende des Jahres wird es hierzulande fünf Millionen ‹Mobilfunk›-Anschlüsse geben. Es sind die VIP's der Republik: die Unentbehrlichen, unsere Leistungsträger, die immer erreichbar sein müssen, Tag und Nacht, an jedem Ort (Ja, sogar auf der Toilette! Und vielleicht beim ...?), die sich lustvoll an die (unsichtbare) Kette legen oder legen lassen. Und selbst auf die Gefahr hin, die ‹political correctness› zu sprengen: am beliebtesten ist das Handy anscheinend bei Türken. Nieder mit dem Handy! Es geht die Mär, Telephonieren via Handy verursache vielleicht ... eventuell ... Gehirntumore: Wie fabelhaft das wäre! Bekanntlich läßt sich der Teufel am besten mit dem Beelzebub austreiben. Niels Höpfner Laubacher Feuilleton 20.1996, S. 16
Telephon-Spiele
«Und», war vor ein paar Wochen in einem Telefax (sic) unseres Autors Hellmut G. Haasis zu lesen, «Sie haben jetzt wirklich ein Autotelephon?» Seine anfänglich noch zwischen den Zeilen versteckte Enttäuschung geriet vollends aufs Blatt mit der Bemerkung: «In Israel laufen schon etliche Leute mit dem Mobiltelephon in der Stadt herum, telephonieren im Bus, beim Überqueren der Straße oder beim Shopping, fragen die Gattin, welches Gemüse es heute sein darf.» Darauf mußte ich Hellmut G. Haasis, der im, wie er selbst meint, «provinziellen» Reutlingen lebt, antworten: «Nicht nur in Israel ist diese Mobiltelephon-Seuche längst ausgebrochen. Auch bei uns hier in München steht an jeder Ecke ein 20jähriger Möchtegern-Yuppie und funktelephoniert das Portemonnaie von Mama und Papa löchrig.»Mein (fest installiertes) Autotelephon ist fünf Jahre alt. Ich habe das gebrauchte elektronische Kommunikationsgerät für 5.000 Mark kaufen müssen, da man mir mein in einer Frankfurter Hoteltiefgarage abgestelltes Auto aufgebrochen hatte und mir 7 – 8.000 Mark für ein neues zu teuer war. Ja, sagte der freundliche Herr der Wochenend-Werkstatt (so etwas passiert einem immer am Wochenende) zu mir, die (beim Aufbruch in Brüche gegangene) Scheibe habe er wohl da. Aber ich müsse doch ein paar Stunden warten, denn außer mir sei es noch ein paar anderen Menschen so ergangen, die ihre PKW in anderen Hotelgaragen abgestellt hätten. Das muß gestimmt haben, denn der Telephonanschluß, über den man die Karte (die ich natürlich im Telephon gelassen hatte) sperren lassen konnte, war ständig besetzt. Der Autotelephon-Klau hatte also Hochkonjunktur zu dieser Zeit. Heute kommt wohl kaum eine dieser (früher auf teure Autoradios) spezialisierten Diebesbanden mehr auf die Idee, einem Händler solche ‹aus Konkursmasse herausgelöste› Geräte anzubieten, bekommt der jugendliche Jedermann sein Spielzeug heute für einen Kaufpreis, der früher für die monatliche Grundgebühr an die Post abzuführen war. dbm Laubacher Feuilleton 15.1995 >> kommentieren |
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