Und jetzt malt der auch noch in Öl ...!

Die (An)Wandlungen des Michael von Cube

Die wohl streitbarste (und umstrittendste) unter den Kunstkoryphäen,der Wuppertaler Asthetik-Professor Bazon Brock, hat mir gegenüber einmal postuliert, die Persönlichkeit eines Künstlers müsse jederzeit hinter seiner Arbeit sichtbar sein, um dem Anspruch der Gesellschaft an ihn (und umgekehrt) genügen zu können. Mir fiel damals sehr bald ein Synonym für diese Forderung ein: Michael von Cube. In unseren Begegnungen, die sich peu à peu von Galerien und Kunstvereinen an die Tresen verlagerten, machte sich zusehends ein Gedanke in mir breit: Der sieht ja aus wie die Menschen in seinen Zeichnungen! Tatsächlich (war und) ist alles an ihm ein bißchen schräg, ständig reizt da was zum Schmunzeln, wenn nicht gar zum Lachen. Permanent hat man das Gefühl, vor einer geradezu entwaffnenden Aufrichtigkeit zu sitzen: jemand in fortwährender Bereitschaft, sich und den Rest der Welt auf den Arm zu nehmen. «Mir ist jedes Mittel recht», meinte er damals, als wir die ersten Gespräche über Kunst und die Welt führten, «um den Leuten ans Bein zu pinkeln.»

Zu dieser Zeit schickte er sich gerade an, ein Alter zu erreichen, von dem die Menschen, die er in all ihrer Ernsthaftigkeit ab-bildet, meinen, mit ihm sei der Zeitpunkt gekommen, ein Haus zu bauen, einen Baum zu pflanzen und ein Kind zu zeugen. So erwachsen ist er, der Kunst sei Dank, nicht geworden. Er tritt immer noch nicht vor das leere Blatt, um es mit der Imanigation des Unaussprechlichen zu füllen. MvC, wie Wolfgang Jean Stock, viele Jahre Direktor des Münchner Kunstvereins, ihn liebevoll auf einen Nenner bringt, ist ein junger Apokalyptiker jener Mikrokosmen geblieben, die die Industriegesellschaft täglich aufs Neue gebiert.

Natürlich hat auch Michael von Cube sich gewandelt. Genauer: seine Materialien sind andere geworden, auch seine Vorgehensweise. Am Anfang war die Pastellkreide. Dann ging ihm das alles zu langsam, und so nahm er den groben Pinsel, um die Grobschlächtigkeit adäquat und mit Acrylfarben aufs ausufernde Papierformat zu bringen. Auch hat er in (ganz) jungen Jahren in der Regel eine Krücke zuhilfe genommen: das Wirklichkeitsdokument Photographie, das er, zunächst mit dem Bleistift und dann mit dem Pinsel (nie so genau ‹am Wort› entlang), auf das Blatt über-setzte. Aber an einem hat er immer festgehalten: an diesem Sujet namens Wir.


Wir, das sind: Wir, heldenmutig-feixend auf dem Motorrad, in der Peep-Show, ‹winke, winke› machend, telegen in die Fernsehkamera grinsend, mehr als wohlbeleibt neben der für den Tourismus präparierten afrikanischen Schönheit und dergleichen (viel) mehr. Oder, wie in Michael von Cubes neuestem Zyklus, die Punker. Wir alle werden jetzt wohl aufjaulen, weil er sich eines Materials bedient, das als das beständigste schlechthin gilt: Und jetzt malt der auch noch in Öl ...! Und obendrein auch noch aus dem Kopf!

Sein Kopf bringt die (Mal-)Bewegung zustande, die uns jene Wahrnehmung zurückbringt, von der wir glauben, daß wir sie hätten: die Fähigkeit, uns selbst zu sehen. Es mag weit hergeholt sein, im Zusammenhang mit der Malerei des Michael von Cube seinen Kollegen Paul Klee zu zitieren (zumal MvC eher auf Rembrandt abfährt): «Kunst bildet nicht die Wirklichkeit ab, Kunst macht sichtbar.» Widersprechen wir Herrn Klee mal, wenn auch nur im ersten Teil seines Diktums: Michael von Cubes Kunst bildet die Wirklichkeit ab und macht sie dadurch sichtbar.

Detlef Bluemler


Bluemler/Hübner: Punk. Angerer. Cube. Schulz. Deutsche und englische Ausgabe, Edition Lipp, München ohne Jahr (1985), o. S.; ins Englische übertragen von Siegfried Wyler
 
Do, 01.07.2010 |  link | (1851) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Detlef Bluemler






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Letzte Aktualisierung: 05.12.2013, 18:31



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