Die Deutschen essen ...

Tagebuch aus Braunschweig

18. April 1808 Bei der Ankunft im Gasthof wird einem Milchkaffee mit Butterbrot angeboten, zwei sehr dünne Scheiben Schwarzbrot mit Butter dazwischen. Die braven Deutschen essen vier bis fünf Butterbrote, trinken zwei große Glas Bier und zuletzt einen Schnaps. Diese Lebensweise kann den heftigsten Menschen phlegmatisch machen. Mir raubt sie alles Denken.

Außer dieser kleinen Mahlzeit, die einem in den Gasthöfen angeboten wird, wenn man sehr früh oder sehr spät ankommt, findet man um ein Uhr ein Mittagessen, das heißt eine Wein- oder Biersuppe, gekochtes Fleisch, eine riesige Schüssel Sauerkraut (auch ein verdummendes Gericht), dann einen Braten mit Krautsalat, glaube ich, der abscheulich riecht. Zu diesem Mahl, das man wütend verzehrt, gibt es gepanschten Wein, der nach Zucker schmeckt, Burgunder heißt und 35 – 40 Sous kostet. Besonders scheußlich ist der Wein in Hessen, einem hübschen, aber armen Lande; der Kurfürst, geizig wie Harpagon, besaß alle Güter.

Ich bin noch etwas verkatert von einer Weinkneiperei bei Herrn Stahler, einem reichen Weinhändler und Hauptmann der Bürgerwehr, an der ich gestern teilnahm. Es waren sieben bis acht Bürger und Weinkenner da, darunter der berühmte Herr von Rothschild, der seit sechzig Jahren Feinschmecker und Gast an fürstlichen Tafeln ist. Er wunderte sich über die Begeisterung, mit der alle diese Leute ein scheußliches Gemisch von Stachelbeersaft und Moselwein hinuntergossen, das als Champagne rosé kredenzt wurde. Ich verstehe mich zwar sehr wenig darauf, aber ich finde, daß alle hiesigen Weine nicht den feinen, charakteristischen Geschmack des Burgunders und anderer südfranzösischen Weine haben.

Stendhal

Laubacher Feuilleton 7.1993, S. 1

Nachdruck aus: Poeten tischen auf. Ein kulinarischer Streifzug durch die Weltliteratur, unternommen von Günther Cwoidrak, Eulenspiegel Verlag 1987, Berlin, dritte Auflage, S. 75–76

 
Do, 12.03.2009 |  link | (922) | 0 K | Ihr Kommentar | abgelegt: Gastrosophisches






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